Qigong ist eine Bewegungsmeditation auf der Grundlage der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), deren Wurzeln über 2000 Jahre zurückreichen.
Auf einem Seidenbild aus einem Grab aus dem Jahre 168 v.Chr. (Mawangdui-Grab Nr. 3) sind beispielsweise „Übungen zum Leiten und Dehnen“ dargestellt, die Haltungen und Bewegungen gleichen, die wir heute noch im Qigong praktizieren.
Es haben sich heute viele unterschiedliche Formen von Qigong entwickelt. Ich praktiziere und unterrichte Formen aus dem System Qigong Yangsheng, das von Prof. Jiao Guorui entwickelt wurde und heute in Deutschland von der Medizinischen Gesellschaftfür Qigong Yangsheng in Bonn verbreitet wird. Dort habe ich auch meine Qigong-Ausbildung gemacht und durch einen Studienaufenthalt in der Qigong-Klinik in Beidaihe/China ergänzt.
Es handelt sich dabei um eine sanfte Form des Qigong, die der Pflege der Gesundheit und der Selbstkultivierung dient.
Was bedeutet Qigong Yangsheng?
Der Begriff „Qi“ hat im Chinesischen viele Bedeutungen, wie Atem, Luft, Lebenskraft, Vitalität, Lebendigkeit und Energie.
In unserem Zusammenhang wird er meist mit Lebensenergie“ übersetzt.
„Gong“ bedeutet soviel wie „beharrliches Üben“.
Der Begriff „Yangsheng“ bedeutet „Pflege des Lebens“. Qigong Yangsheng kann man also in etwa übersetzen mit: Beharrliches Üben der Lebensenergie zur Pflege des Lebens.
Es handelt sich also um einen Übungsweg, d. h. wer in den Genuss der heilsamen Wirkungen dieser Bewegungsmeditation kommen möchte, sollte die im Kurs erlernten Übungen am besten auch regelmäßig in seinem Alltag praktizieren.
Wie funktioniert Qigong?
Es gibt Übungen in Ruhe und Übungen in Bewegung. Ich unterrichte in erster Linie Übungen in Bewegung aus dem System „15 Ausdrucksformen des Taiji-Qigong“. Die fließenden Bewegungen werden langsam und achtsam ausgeführt, immer „das richtige Maß“ berücksichtigend, d.h. den eigenen Möglichkeiten und Grenzen angepasst. Die Atmung kann sich dabei vertiefen und frei fließen.
Die Haltungen und Bewegungen sind mit angenehmen Vorstellungsbildern verknüpft, die auf unsere Verbundenheit mit der Natur anspielen und z.B. in folgenden Übungsnamen deutlich werden: „Stehen wie eine Kiefer“, „Zerteile die Wolken und halte den Mond“,
„Der weiße Kranich zeigt seine Schwingen“, „Der Pfau schlägt sein Rad“ oder „Teile die Mähne des wilden Pferdes“.
Man muss nicht sportlich oder gelenkig sein, um Qigong zu praktizieren. Die Übungen können der eigenen Konstitution und Verfassung sehr gut angepasst und außer im Stehen auch im Sitzen ausgeführt werden. Ergänzend kommen im Kurs auch Übungen in Ruhe, Achtsamkeits- und Lockerungsübungen und Selbstmassagetechniken zur Anwendung.
Die TCM geht davon aus, dass ein System der Leitbahnen (Meridiane) unseren Körper durchzieht, in denen das Qi frei fließt, wenn wir gesund sind. Blockaden führen dazu, dass die Lebensenergie nicht frei fließen kann, was Störungen und Krankheiten verursachen kann. Durch das regelmäßige Praktizieren von Qigong können diese Blockaden gelockert werden und die Lebensenergie kann wieder ungehindert fließen.
Alles Leben spielt sich nach der Vorstellung der TCM zwischen Polaritäten ab, Yin und Yang genannt, deren Ineinanderfließen in dem bekannten „Taiji-Symbol“ dargestellt ist.
Solche Polaritäten sind z.B. Ruhe – Bewegung, Beginnen – Vollenden, Bewahren – Verändern, Nähren und Aufbauen der Lebenskraft – Anwenden und Verbrauchen der Lebenskraft. Im Qigong werden diese Polaritäten körperlich erfahrbar, z.B. durch steigende und sinkende, öffnende und schließende, sich ausdehnende und sich verdichtende Bewegungen.
So können wir im Qigong die Yin- und Yang-Qualitäten ausbalancieren lernen und dabei auch Impulse gewinnen, wie diese Qualitäten in unserem Leben besser ins Gleichgewicht zu bringen sind.
Qigong und Psychotherapie
Als Psychotherapeutin interessiere ich mich besonders für die psychologischen Wirk-faktoren im Qigong und die Möglichkeit, Qigong auch im Umgang mit psychischen Problemen und Belastungen zu nutzen.
Als wichtige psychologische Wirkfaktoren sehe ich vor allem die Konzentration auf die eigene Mitte, aus der alle Bewegungen entstehen und das gute „Geerdet-Sein“, das wir im Qigong betonen.
Das Sich-Einlassen auf ungewohnte Bewegungsmuster kann uns dabei helfen, auch bisher weniger gelebte Aspekte mehr zur Entfaltung zu bringen, z.B. sich öffnen, sich Raum nehmen, sich abgrenzen, sich sammeln. Das Erleben der Polaritäten in der Bewegung kann unser Vertrauen in den „Fluss des Lebens“ stärken und wir können lernen, mit Hilfe der Haltungen, Bewegungen und Vorstellungsbilder auf unsere Stimmung einzuwirken und auch unangenehme und belastende Gefühle besser zu regulieren.
Nicht zu unterschätzen ist außerdem , was es alleine bewirkt, wenn wir uns entschließen, zunächst wöchentlich im Kurs und dann idealerweise auch täglich in unserem Alltag, uns selbst Zeit zu schenken, die wir mit achtsamen, wohltuenden, der Pflege unseres Lebens dienenden Übungen verbringen!
„Qigong ist ein Dialog mit der eigenen Lebenskraft,
- ein Lauschen, was sie einem sagen will“
Dieses Zitat von Prof. Jiao weist auf die Bedeutung einer achtsamen, selbstfürsorglichen Haltung uns selbst gegenüber hin. Wir üben sozusagen, unserer inneren Stimme wieder zuzuhören, die so oft im Lärm der Alltagspflichten und der Reizüberflutung überhört zu werden droht, bis sie mit Krankheitssymptomen auf sich aufmerksam macht.
Qigong kann eine notwendige Psychotherapie nicht ersetzen, wohl aber wirksam unterstützen und ergänzen.
Für wen ist Qigong geeignet?
Für jeden, der sich auf die ruhigen, achtsamen Bewegungsübungen einlassen möchte, um etwas für sich zu tun. Qigong ist gleichermaßen ein Entspannungsverfahren wie auch eine sanfte Körper- und Bewegungstherapie. Damit ist es besonders wertvoll für alle, die Möglichkeiten zur Stressbewältigung suchen, die in ihrem hektischen Alltag zur Ruhe und zur eigenen Mitte finden wollen oder die bei psychosomatischen Störungen oder chronischen Erkrankungen aktiv etwas für ihr Wohlbefinden tun möchten.
Studien haben bisher z.B. die Wirksamkeit bei Kopf- und Rückenschmerzen, Rheuma, Asthma und chronischer Bronchitis und in der Tumornachsorge belegt.
Auch als Ergänzung einer Psychotherapie kann Qigong, in Absprache mit dem Psychotherapeuten, hilfreich sein. Nicht geeignet ist Qigong jedoch bei schweren psychiatrischen Erkrankungen (Psychosen) im akuten Stadium.
Literaturempfehlungen
Jiao Guorui: Qigong Yangsheng. - Chinesische Übungen zur Stärkung der
Lebenskraft - . Fischer Tb Jiao Guorui: Die 15 Ausdrucksformen des Taiji-Qigong.
- Gesundheitsfördernde Übungen der traditionellen chinesischen Medizin - .
Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft Claus Fischer & Micheline Schwarze: Qigong in Psychotherapie und Selbstmanagement. Klett-Cotta Medizinische Gesellschaft für Qigong Yangsheng e.V. (Hrsg.): Qigong und China.
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